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Bundesteilhabegesetz jetzt!

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17. Sep 2015

Die Lebenshilfe erwartet vom Bundesteilhabegesetz, dass sich die Eingliederungshilfe im Sinne eines individuellen Nachteilsausgleichs personenzentriert weiterentwickelt und neue Wahlmöglichkeiten der Teilhabe eröffnet.

Im Koalitionsvertrag ist die Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes vereinbart, das die Teilhabe von Menschen mit Behinderung neu organisieren soll. Damit kommt die Bundesregierung ihrer Verpflichtung nach, die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) umzusetzen und so die
Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderung zu stärken. Die Lebenshilfe als Interessenvertreterin von Menschen mit geistiger Behinderung und ihrer Familien erwartet von einem Bundesteilhabegesetz, dass sich die Eingliederungshilfe im Sinne eines individuellen
Nachteilsausgleichs zu einer einkommens- und vermögensunabhängigen Leistung personenzentriert weiterentwickelt und neue gleichwertige Wahlmöglichkeiten der Teilhabe eröffnet werden. Niemand darf wegen Art und Schwere der Behinderung von dieser Weiterentwicklung ausgeschlossen werden. Leistungen der Eingliederungshilfe müssen auch
zukünftig nach dem Grundsatz der individuellen Bedarfsdeckung aus einem offenen Leistungskatalog zur Verfügung stehen.

  1. Die Lebenshilfe fordert, die Leistungen der Eingliederungshilfe aus dem Fürsorgesystem herauszulösen und sie damit unabhängig von der Heranziehung vom Einkommen und Vermögen der Berechtigten und ihrer Angehörigen zu gestalten.
    Damit Menschen mit Behinderung ihr Leben gleichberechtigt und selbstbestimmt gestalten können, benötigen sie Unterstützung. Diese notwendige Unterstützung wird unter anderem über die Eingliederungshilfe gewährleistet. Bisher sind diese Unterstützungsleistungen dem Recht der Sozialhilfe zugeordnet. Dies führt dazu, dass die notwendige Unterstützung für Menschen mit Behinderung grundsätzlich nur finanziert wird, wenn der Einzelne und seine Angehörigen nicht über genügend eigene finanzielle Mittel verfügen. Menschen mit Behinderung wird so allein wegen ihrer Behinderung das Recht abgesprochen, selbst über eigenes Einkommen zu bestimmen und Vermögen aufzubauen. Das ansonsten selbstverständliche Recht zu Sparen bleibt ihnen verwehrt, da der Freibetrag bei 2.600 Euro liegt – und damit auch die Möglichkeit, selbst für unerwartete Lebenssituationen vorzusorgen.

  2. Die Lebenshilfe fordert die Aufrechterhaltung des bisherigen Personenkreises.
    Die Praxis zeigt, dass die Menschen mit Behinderung, die bisher Leistungen in Anspruch nehmen, diese auch dringend benötigen. Die Reform der Eingliederungshilfe darf daher nicht zu einer Einschränkung des bisher leistungsberechtigten Personenkreises führen.

  3. Die Lebenshilfe fordert ein bundeseinheitliches Verfahren zur Bedarfsermittlung.
    Dies ist zwingende Voraussetzung, um individuelle Bedarfsdeckung zu erreichen. Um einen effektiven Nachteilsausgleich zu gewährleisten, müssen Menschen mit Behinderung genau die Unterstützung erhalten, die sie in ihrer individuellen Lebenssituation benötigen. Voraussetzung hierfür ist eine umfassende Ermittlung des Unterstützungsbedarfs. Daher müssen die Bedarfe zukünftig im Rahmen einer partizipativen und individuellen Teilhabeplanung umfassend ermittelt werden. Hierfür muss nach Auffassung der Lebenshilfe das schon im Koalitionsvertrag zugesicherte, bundeseinheitliche, gesetzlich festgeschriebene Verfahren zur Bedarfsermittlung endlich etabliert werden, an dem Menschen mit Behinderung und ihre Vertrauenspersonen beteiligt sind. Darüber hinaus sind im Gesetz Anforderungen an die anzuwendenden Instrumente/Kriterien der Bedarfsermittlung zu benennen.

  4. Die Lebenshilfe fordert einen Rechtsanspruch auf Teilhabeberatung und -begleitung durch qualifizierte Beratungsstellen.
    Menschen mit Behinderung brauchen Beratung und Begleitung, damit sie informiert an dem Bedarfsermittlungsverfahren mitwirken können, in dem ihr individueller Unterstützungsbedarf festgestellt wird. Diese Beratung und Begleitung darf nur ihnen verpflichtet und muss leistungsträgerunabhängig sein. Die leistungsberechtigte Person soll die für sie geeignet erscheinende Beratung aus einem pluralistischen Beratungsangebot auswählen können. Diese staatlich zu finanzierende Teilhabeberatung ist Bestandteil des bundeseinheitlichen Teilhabeplanverfahrens und ergänzt das in den Leistungsgesetzen vorgesehene Beratungsangebot der Leistungsträger.

  5. Die Lebenshilfe fordert die Beibehaltung der individuellen Bedarfsdeckung und des offenen Leistungskatalogs und eine gesetzliche Klarstellung im Bereich der „Sozialen Teilhabe“.
    Ein offener Leistungskatalog und der Grundsatz der individuellen Bedarfsdeckung sind zwingend erforderlich, um behinderungsbedingte Nachteile effektiv auszugleichen und eine volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Sinne der UN-BRK zu verwirklichen. Ein Blick in die derzeitige Praxis zeigt, dass der für eine uneingeschränkte, gleichberechtigte Teilhabe so wichtige Bereich der „Sozialen Teilhabe“ häufig konfliktbehaftet ist. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Freizeitgestaltung, Ehrenamt, Urlaub, Mobilität, begleitete Elternschaft und Tagesstruktur im Seniorenalter. Die Lebenshilfe erwartet daher, dass der Gesetzgeber nicht nur die bisher ungeklärten Rechtsfragen regelt, sondern den Handlungsrahmen insgesamt klarer und rechtssicherer gestaltet. Hierfür müssen zur Klarstellung die im offenen Leistungskatalog explizit genannten Katalogleistungen (§ 54 SGB XII i. V. m. § 55 SGB IX) um diese Bereiche ergänzt werden.

  6. Die Lebenshilfe fordert, dass durch die Trennung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe von den existenzsichernden Leistungen keine Leistungslücken entstehen.
    Infolge der allseits geforderten Stärkung der Personenzentrierung wird es zu einer Trennung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe von den existenzsichernden Leistungen kommen. Damit die Neuregelung tatsächlich zu einer besseren Teilhabe von Menschen mit Behinderung führt, muss die neue Schnittstelle durch eine rechtssichere Zuordnung einzelner Bedarfe klar geregelt werden. Leistungslücken darf es dabei nicht geben. Insbesondere müssen behinderungsspezifische Mehraufwendungen im Bereich der existenzsichernden Leistungen weiterhin bedarfsdeckend erbracht werden. Darüber hinaus müssen bei betreuten Wohnformen alle behinderungsbedingten Aufwendungen inklusive der Overhead- und Investitionskosten der Leistungserbringer finanziert werden.

  7. Die Lebenshilfe fordert, dass Menschen mit Behinderung als Versicherte in der GKV gleichberechtigt Häusliche Krankenpflege erhalten.
    Weiterhin sind pflegebedürftigen Menschen mit Behinderung Leistungen der häuslichen Pflege des SGB XI unabhängig von ihrem Wohnort zur Verfügung zu stellen. Mit der Reform der Eingliederungshilfe sollen die Leistungen für Menschen mit Behinderung personenzentriert weiterentwickelt werden, d. h. am individuellen Bedarf und nicht länger am Ort der Leistungserbringung (z.B. Wohnstätte oder ambulant unterstütztes Wohnen) ausgerichtet sein. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, benötigen die Menschen mit Behinderung neben den Leistungen der Eingliederungshilfe auch unbeschränkten, gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach dem SGB V und der häuslichen Pflege nach dem SGB XI unabhängig von der Wohnform.

  8. Die Bundesvereinigung Lebenshilfe fordert eine Weiterentwicklung der Teilhabe am Arbeitsleben.
    Hierfür braucht es zum einen die Einführung des Budgets für Arbeit. Der Anspruch auf einen dauerhaften Lohnkostenzuschuss mit einem Anspruch auf eine dauerhafte und bedarfsdeckende Begleitung im Bundesteilhabegesetz zu verzahnen.
    Durch einen Lohnkostenzuschuss wird ein wichtiger Anreiz geschaffen, Werkstattbeschäftigte in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Die Praxis zeigt jedoch, dass erst eine kontinuierliche arbeits- und sozialpädagogische Begleitung den dauerhaften Erhalt des Arbeitsplatzes für einen bestimmten Personenkreis ermöglicht. Auch diese Begleitung muss mittels eines Anspruches abgesichert werden, da sie derzeit nur unzureichend erbracht wird.
    Die Bundesvereinigung Lebenshilfe fordert zudem den Zugang zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur beruflichen Bildung für alle, insbesondere auch für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf. Aktuell ist nach § 136 Abs. 2 SGB IX von den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie den Leistungen zur beruflichen Bildung ausgeschlossen, wer das sogenannte „Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung“ nicht erfüllt. Hierbei handelt es sich in der Regel um Menschen mit einem besonders hohen Unterstützungsbedarf. Vielfältige Beispiele zeigen, dass mit entsprechender Förderung und Begleitung auch dieser Personenkreis an der Arbeitswelt teilhaben kann. Ihnen müssen die gleichen Leistungsangebote zur Teilhabe am Arbeitsleben offenstehen, wie Menschen mit einem geringeren Unterstützungsbedarf. Hierfür muss das „Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung“ als Leistungsvoraussetzung gestrichen werden.
    Die Bundesvereinigung Lebenshilfe fordert, im Zuge der Neuregelung der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine bessere Entlohnung für Werkstattbeschäftigte und der Beschäftigten bei „anderen Anbietern“ sicherzustellen.
    Im Arbeitsbereich der Werkstätten beschäftigte behinderte Menschen erhalten ein Arbeitsentgelt, das mindestens 75 Euro monatlich beträgt. Hinzu kommen monatlich 26 Euro Arbeitsförderungsgeld. Auch und gerade weil der bundesweit geltende gesetzliche Mindestlohn behinderten Menschen im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen nicht gezahlt werden kann, muss eine bessere Entlohnung in Werkstätten für behinderte Menschen und natürlich auch bei der geplanten Beschäftigungbei „anderen Anbietern“ auf anderem Wege ermöglicht werden. Hierfür kommt eine deutliche Verbesserung der Anrechnungsfreiheit des Arbeitsentgelts für Menschen, die behinderungsbedingt Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten und eine Anhebung des Arbeitsförderungsgeldes in Betracht.

Darüberhinaus gibt es ein Eckpunktepapier der BAGFW zur Neuregelung des Vertrags- und Vergütungsrechts im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes für Menschen mit Behinderung.

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