90 Jahre alt ist Erika Löhrer heute. Sie hat die Nazi-Zeit überlebt, weil ihre Familie sie schützte. Besonders ihre jüngere Schwester half ihr in der Schule und tat alles, um die Tarnung ihrer großen Schwester aufrechtzuerhalten. „Für uns ist es heute kaum mehr vorstellbar, Familienmitglieder mit Behinderung verstecken zu müssen. Aber das Thema ist leider aktueller denn je“, sagt Alexandra Messaaf-Jünger von der Lebenshilfe Aachen.
Das Leben von Erika Löhrer aus Aachen wurde in der Ausstellung „Lebensbilder“ von Kai Stefes im Düsseldorfer Landtag vom 3. bis 19. Dezember 2024 neben weiteren besonders gewürdigt. Bei dieser Ausstellung ging es um Menschen mit Behinderung, die das Euthanasie-Programm („Vernichtung lebensunwerten Lebens“) der Nationalsozialisten überlebt haben. Fotograf Kai Stefes hat die Menschen fotografiert und ihre Lebensgeschichten eingefangen. Erika Löhrer, 1934 in Burscheid geboren, war persönlich anwesend bei der Eröffnung am 3. Dezember, dem internationalen Tag für Menschen mit Behinderung.
Mit dabei waren zahlreiche Gäste, darunter Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, viele Verantwortliche der Lebenshilfen in NRW, Politiker und weitere Interessierte. Eröffnet wurde die Ausstellung von Vizelandtagspräsident Rainer Schmeltzer und dem Landesvorsitzenden der Lebenshilfe NRW, Prof. Dr. Gerd Ascheid
„Allen, die sich mit der Geschichte der Menschen mit Behinderung beschäftigen, mit ihnen heute leben und arbeiten, ist bewusst, dass es eines langen Atems bedarf, immer wieder auf die Rechte der Menschen aufmerksam zu machen. Viele Angehörige und die Menschen selbst erleben sich allzu oft schmerzhaft als Bittsteller:innen, obwohl sie nur nach etwas fragen oder etwas beantragen, was für die meisten von uns selbstverständlich ist. Das muss endlich aufhören. Ihre Rechte müssen selbstverständlich anerkannt werden. Und deshalb stehen sie in dieser Ausstellung heute im Mittelpunkt. Menschen mit Behinderung. Und heute ganz besondere Menschen, die die Euthanasie überlebt haben. Weil sie geschützt, ja manchmal auch versteckt wurden, weil andere für sie eingetreten sind und ja, auch, weil sie selbst mutig und klug waren.
Als der Fotograf Kai Stefes auf uns zugekommen ist, weil er für Porträts auf der Suche nach Überlebenden in unseren Reihen war, hat mich dies sehr bewegt. Denn es ist mir klargeworden, dass es höchste Zeit ist, den Menschen und ihren Lebensgeschichten endlich mehr Raum zu geben. Kai Stefes hat Überlebende, die von Lebenshilfen in NRW begleitet wurden und werden, entdeckt, er hat wunderbare Porträtbilder gemacht und im Buch Lebensbilder auch ihre Geschichten eingefangen. Heute möchte niemand der Porträtierten hier sprechen – selbstverständlich haben wir nachgefragt
Umso mehr freuen wir uns, dass Kai Stefes heute hier ist und uns nun selbst etwas sagen kann. Vielen Dank schon jetzt Herr Stefes. Und Ihnen allen: Lassen Sie die Bilder und Geschichten – lassen Sie die Menschen ihr Herz bewegen und haben Sie gute Begegnungen miteinander.“ Lebenshilfe-NRW Geschäftsführerin Bärbel Brüning bewegte die Gäste in ihrer Rede mit berührenden Worten.
Fotograf Kai Stefes freute sich darüber, „an einem solchen Ort ausstellen zu können. Ich hoffe, dass die Bilder bei den Entscheidungsträgern ankommen und etwas bewirken.“ vw
Erika Löhrer ist 90 Jahre alt.
Sie lebt in Aachen.
Früher war Krieg in Deutschland.
Damals lebten die Nazis.
Die Nazis töteten viele Menschen.
Auch Menschen mit Behinderung.
Erika hatte Glück.
Ihre Familie hat sie beschützt und versteckt.
Alexandra Messaaf-Jünger arbeitet bei der Lebenshilfe Aachen.
Sie sagt:
Familien·mitglieder mit Behinderung verstecken?
Das kann man sich heute nur schwer vorstellen.
Aber das Thema ist auch heute wichtig.
Es gibt noch viele Probleme.
Im Landtag in Düsseldorf gab es eine Ausstellung.
Die Ausstellung hieß Lebensbilder.
Sie war vom 3.12.2024 bis 19.12.2024.
Der Fotograf Kai Stefes hat die Ausstellung gemacht.
Er hat Menschen mit Behinderung fotografiert.
Diese Menschen haben die Nazis überlebt.
Erika Löhrer ist eine von diesen Menschen.
Damals gab es das Euthanasie-Programm.
Euthanasie spricht man so: Eu-ta-na-sie.
Euthanasie ist ein griechisches Wort.
Und es bedeutet: schöner Tod.
Die Nazis haben gesagt:
Kranke und behinderte Menschen sind wertlos.
Darum ermordeten die Nazis viele Menschen mit Behinderung.
Aber einige überlebten diese schlimme Zeit.
Auch Erika Löhrer.
Erika Löhrer ist im Jahr 1934 in Burscheid geboren.
Am 3.12.2024 war sie bei der Ausstellung dabei.
Das war am internationalen Tag für Menschen mit Behinderung.
Viele Menschen kamen zur Ausstellung.
Zum Beispiel:
Karl-Josef Laumann.
Er ist Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in NRW.
Auch viele Mitarbeiter von der Lebenshilfe kamen.
Und Politiker.
Die Ausstellung eröffneten:
Rainer Schmeltzer, stell·vertretender Präsident im Landtag
und Prof. Dr. Gerd Ascheid, Chef von der Lebenshilfe NRW.
Viele Menschen wollen helfen.
Sie setzen sich für Rechte von Menschen mit Behinderung ein.
Menschen mit Behinderung müssen oft um Hilfe bitten.
Dabei müssen sie Hilfe bekommen.
Ohne immer zu bitten.
Ihr Rechte sind wichtig.
Ihre Rechte müssen für uns selbst·verständlich sein.
Darum gibt es diese Ausstellung.
Menschen mit Behinderung stehen im Mittelpunkt.
Sie haben die schlimme Zeit von den Nazis überlebt.
Man versteckte und beschützte sie.
Und sie waren selbst mutig und klug.
Bärbel Brüning sagte:
Der Fotograf Kai Stefes hat mir seine Idee vorgestellt.
Er hat Überlebende fotografiert.
Und ihre Geschichten auf·geschrieben.
Das hat mich sehr berührt.
Denn viele Menschen kennen diese Geschichten nicht.
Kai Stefes hat schöne Bilder gemacht.
Und er hat ein Buch gemacht.
Es heißt Lebensbilder.
In dem Buch sind Bilder und Texte.
Die Menschen auf den Bildern wollen nicht sprechen.
Aber das ist in Ordnung.
Bärbel Brüning bedankte sich bei Kai Stefes.
Sie sagte:
Bilder und Geschichten berühren das Herz.
Haben wir gute Begegnungen miteinander.
Fotograf Kai Stefes sagte:
Ich freue mich die Bilder im Landtag zeigen zu dürfen.
Ich hoffe die Bilder helfen den Politikern.
Und zeigen: Das Thema ist immer noch wichtig.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Menschen alle,
heute anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderung haben wir uns bewusst vorgenommen, eine der dunkelsten Zeiten unseres Landes aufzugreifen. Denn zunehmende Diskriminierung, Extremismus, Hass und Hetze nehmen zu und mit Fassungslosigkeit denken wir auch an den unsäglichen Steinwurf auf ein Wohnhaus von Menschen mit Behinderung in Mönchengladbach mit dem Zettel „Euthanasie ist die Lösung“.
Viele wissen heute nicht mal mit dem Begriff etwas anzufangen. Umso mehr wussten diejenigen, die diesen Zettel geschrieben haben, ganz genau, was sie taten. Das ist entsetzlich.
Wir dürfen dazu nicht schweigen, niemals, und wir müssen viel besser werden, in unserer Gesellschaft Menschen mit Behinderung und viele andere Menschen vor Diskriminierung und Hetze zu schützen.
Begriffe wie Inklusion und gleichberechtigte Teilhabe folgen dem Grundgedanken der Menschenwürde, der Menschenrechte und unserem Grundgesetz. Jeder Mensch ist gleich wertvoll. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Halten wir uns daran und sorgen dafür, dass Gesetze auch umgesetzt werden.
Und vergessen wir nie: In der ersten Phase der sogenannten Euthanasie von Januar 1940 bis August 1941 wurden etwa 70.000 behinderte Menschen getötet. Sie galten als „Ballastexistenzen“, die unnötig Geld kosten und auch nicht mehr als Arbeitskräfte eingesetzt werden konnten (ich denke daran, dass wir heute von einem „Mindestmaß verwertbarer Arbeit sprechen – und ganz ehrlich, ich weiß, dass wir uns in einer ganz anderen Zeit befinden, aber dennoch gruselt es mich, wenn so gesprochen wird, denn wir schaffen mit Sprache Wirklichkeit!)
Nach öffentlichem Protest, besonders von den Kirchen, verbietet Hitler das Morden. Doch es wird weiter gemordet. Jetzt heimlich und viel mehr als je zuvor. Insgesamt werden von 1939 bis 1945 über 200.000 Menschen mit Behinderung in Deutschland umgebracht. Die Angehörigen erhielten kurz darauf "Trostbriefe" sowie Sterbeurkunden mit falschen Angaben zu Todesursache und -datum.
Götz Aly hat in seinem Buch „Die Belasteten“ beschrieben, dass man annehmen könne, etwa 80 Prozent der Menschen haben damals diese Morde an Menschen mit Behinderung hingenommen. Im Sinne von: Na ja, vielleicht war es besser so, wir wollen es nicht so genau wissen.
So schreibt er:
Man hat auch untersucht inzwischen, wenn Menschen abtransportiert worden sind: 600 aus einer Anstalt kommen in eine Gaskammer und sind am nächsten Tag tot. Da haben sich im Fall dieser Deportierten nur etwa 120 Angehörige hernach erkundigt bei den Anstalten. Also mehr als 70 Prozent haben sich nicht einmal erkundigt. Und unter denen, die sich erkundigt haben, waren etwa 30 Protestschreiben. Das heißt, es waren rund sechs Prozent, die protestiert haben.
Wobei der Protest durchaus erfolgreich sein konnte.
„Wenn Angehörige sich auf die Hinterbeine gestellt haben und energisch gefragt haben, wenn der abtransportiert wurde: Wo ist der? Was ist da los? Wir wollen es jetzt wissen, und zwar sofort. Und es haben auch Leute an Hitler telegrafiert direkt. Dann hatten sie eine riesige Chance, diesen schon deportierten Menschen wieder zurückzuholen. Oder, wenn Eltern gesagt haben, Väter, die an der Front standen, sie wollen nicht, dass ihr spastisch gelähmtes Kind in ein Heim kommt, darüber wollen sie erst nach dem Krieg reden, im Moment sei alles gut, dann kam dieses Kind nicht in ein Heim. Dann wurde es nicht ermordet.“
Da gilt nur eines:
Wir dürfen niemals zu Unrecht schweigen.
Nie wieder ist jetzt.
Und das fängt mit Schritten an, von denen man kaum glauben mag, dass sie tatsächlich noch nicht unternommen wurden:
Schauen wir kurz nach Berlin und hören Sie, was unsere Bundesvorsitzende, Ulla Schmidt, am 6. November in diesem Jahr, geschrieben hat:
79 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs sollten die Opfer der NS-„Euthanasie“ und Zwangssterilisation als Verfolgte des Nazi-Regimes anerkannt werden. Aber dann zerbrach die Ampel-Koalition – und einen Tag später flog der betreffende Antrag von der Tagesordnung des Bundestages. „Wir sind zutiefst enttäuscht“, betont Ulla Schmidt. Sie fordert das Parlament eindringlich auf, den gemeinsamen Antrag von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP noch vor den Neuwahlen abschließend zu beraten und zu verabschieden. „Menschen mit Behinderung wollen nicht länger darauf warten. Das ist unser Land den Opfern und ihren Angehörigen schuldig.“
Dies möge dann auch als Appell an alle Politiker:innen von hier aus wiederholt sein: setzen Sie sich bitte dafür ein. Es ist wirklich beschämend, dass dies noch nicht geschehen ist!
Allen, die sich mit der Geschichte der Menschen mit Behinderung beschäftigen, mit ihnen heute leben und arbeiten, ist bewusst, dass es eines langen Atems bedarf, immer wieder auf die Rechte der Menschen aufmerksam zu machen. Viele Angehörige und die Menschen selbst erleben sich allzu oft schmerzhaft als Bittsteller:innen, obwohl sie nur nach etwas fragen oder beantragen, was für die meisten von uns selbstverständlich ist.
Das muss endlich aufhören. Ihre Rechte müssen selbstverständlich anerkannt werden.
Und deshalb stehen sie in dieser Ausstellung heute im Mittelpunkt. Menschen mit Behinderung. Und heute ganz besondere Menschen, die die Euthanasie überlebt haben. Weil sie geschützt, ja manchmal auch versteckt wurden, weil andere für sie eingetreten sind und ja, auch, weil sie selbst mutig und klug waren.
Als der Fotograf Kai Stefes auf uns zugekommen ist, weil er für Portraits auf der Suche nach Überlebenden in unseren Reihen war, hat mich dies sehr bewegt. Denn es ist mir klar geworden, dass es höchste Zeit ist, den Menschen und ihren Lebensgeschichten endlich mehr Raum zu geben.
Kai Stefes hat Überlebende, die von Lebenshilfen in NRW begleitet wurden und werden, entdeckt, er hat wunderbare Portraitbilder gemacht und im Buch Lebensbilder auch ihre Geschichten eingefangen. Heute möchte niemand der Portraitierten hier sprechen- selbstverständlich haben wir nachgefragt.
Umso mehr freuen wir uns, dass Kai Stefes heute hier ist und uns nun selbst etwas sagen kann.
Vielen Dank schon jetzt Herr Stefes. Und Ihnen allen: lassen Sie die Bilder und Geschichten – lassen Sie die Menschen ihr Herz bewegen und haben Sie gute Begegnungen miteinander.
Es gilt das gesprochene Wort.