Der neue heißt Normen Rothe. Seit dem 1. Januar 2024 ist der zweifache Familienvater aus Mechernich neuer Geschäftsführer der Rurtalwerkstätten in Düren und damit verantwortlich für mehr als 900 Mitarbeiter mit Teilhabebedarf und rund 250 Angestellte. Damit gehören die Rurtalwerkstätten mit ihren acht Betriebsstätten in Düren, Niederzier Huchem-Stammeln und Kreuzau-Stockheim zu den größten Arbeitgebern im Kreis Düren.
Die Menschen mit einer geistigen, psychischen oder schwerst-mehrfachen Behinderung arbeiten in den Bereichen Verpackung und Montage, Metallverarbeitung, Garten- und Landschaftsbau, Hauswirtschaft und Küche, Holzverarbeitung, Wäscherei und Heißmangel, Industriemontage und Konfektionierung, Lagerwirtschaft, Elektromontage, Druckerei und Papierverarbeitung sowie Fahrzeugpflege.
Die neue Aufgabe, so Rothe, sei für ihn eine Ehre und Herausforderung, gleichzeitig aber eine Herzensangelegenheit, die ihm sehr viel Spaß mache. Im Gespräch mit unserer Zeitung spricht der 52-Jährige über die Arbeit, seine Pläne für die Zukunft und die 60-Jahr-Feier der Rurtalwerkstätten Ende September.
Lebenshilfe journal: Herr Rothe, erzählen Sie uns ein bisschen zu Ihrer Person. Was haben Sie gemacht, bevor Sie zu den Rurtalwerkstätten gekommen sind?
Normen Rothe: Ich war vorher Geschäftsführer bei der Katholischen Kita gGmbH des Bistums Trier in Koblenz und dort verantwortlich für mehr als 150 Kindertagesstätten. Davor habe ich Volkswirtschaftslehre an der Universität Trier studiert und danach einige Jahre in der freien Wirtschaft gearbeitet.
Lebenshilfe journal: Warum haben Sie sich entschieden, Geschäftsführer der Rurtalwerkstätten zu werden?
Normen Rothe: Da gibt es viele verschiedene Beweggründe. Ich hatte mein Leben lang immer mit Menschen mit Teilhabebedarf zu tun, auch in der Katholischen Kita gGmbH gab es inklusive Projekte. Das hat mich sehr berührt. Ich denke, dass es viele Berührungspunkte und Schnittmengen zu den Rurtalwerkstätten gibt.
Lebenshilfe journal: Sie haben im Bereich Finanzdienstleitung gearbeitet.
Normen Rothe: Ja, das ist richtig, nach meinen Studium begann meine berufliche Laufbahn im Finanzdienstleistungssektor und dort habe ich später festgestellt, dass mich die Arbeit im Finanzdienstleistungsbereich inhaltlich nicht mehr zufrieden gestellt hat. Das hat dazu geführt, dass ich mir die Frage gestellt habe: Erfüllt mich diese Arbeit? Diese Frage konnte ich mit einem klaren "Nein" beantworten und somit habe ich für mich entschieden, mehr mit und für Menschen arbeiten zu wollen. Und dies kann ich bei den Rurtalwerkstätten verwirklichen.
Lebenshilfe journal: Wie haben Sie die ersten Wochen und Monate in den Rurtalwerkstätten erlebt?
Normen Rothe: Mein erster Berührungspunkt mit der Werkstatt und vor allem mit den Menschen, die hier arbeiten, war der Weihnachtsgottesdienst im vergangenen Jahr. Da war mir sofort klar, dass ich am richtigen Ort bin. Diese Ehrlichkeit, die mir begegnet ist, hat mir wirklich ein Gänsehautgefühl beschert. Diese Offenheit, gepaart mit einer unglaublichen Direktheit, Natürlichkeit und Wahrhaftigkeit habe ich so beruflich noch nicht erlebt. Hier erlebe ich sie jeden Tag aufs Neue - für mich ist das Motivation pur.
Lebenshilfe journal: Was sind die Herausforderungen von Werkstatt insgesamt?
Normen Rothe: Die größte Herausforderung ist es, den Spagat zwischen den gesetzlichen Vorgaben sowie den Wünschen und Bedürfnissen unserer Mitarbeiter zu schaffen.
In dem Zusammenhang möchte ich das Bundesteilhabegesetz erwähnen, welches uns vor besondere Herausforderungen stellt. Die Inklusion ist eine wichtige Aufgabe unserer Gesellschaft und es ist auch Aufgabe einer Werkstatt für Menschen mit Teilhabebedarf, diese Mitarbeiter perspektivisch in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Ich denke, dass wir die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen mit Teilhabebedarf in unserer Werkstatt nie aus dem Blick verlieren dürfen. Im Gegenteil, diese sollten immer im Vordergrund stehen.
Lebenshilfe journal: Ein großes Thema ist der Werkstattlohn für Menschen mit Teilhabebedarf.
Normen Rothe: Ja, das ist richtig. Das ist ein wichtiges Thema. Den Lohn müssen die Menschen mit Behinderung selbst erwirtschaften. Das heißt, vereinfacht formuliert, es kann nur so viel an Löhnen ausgeschüttet werden, wie das Arbeitsergebnis hergibt. Eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung ist ein Stück weit auch eine Solidargemeinschaft mit unterschiedlichen Fähigkeiten des Einzelnen und gleichem Grundlohn, ein Ort für Austausch und soziale Kontakte.
Mit dem Werkstattlohn sollten sowohl wir uns als Werkstatt als auch der Gesetzgeber auseinandersetzen. Ziel ist eine zufriedenstellende Lösung für alle Beteiligten.
Lebenshilfe journal: Was sind konkret die Herausforderungen der Rurtalwerkstätten?
Normen Rothe: Das lässt sich nicht mit einem Satz erklären. Es hat in den vergangenen Jahren eine sehr hohe Fluktuation in unserer Werkstatt gegeben, gerade auch, was die Position des Geschäftsführers angeht. Dies hat dazu geführt, dass das Wir-Gefühl ein Stück weit verloren gegangen ist. Wir brauchen vor allen Dingen Sicherheit und Kontinuität und einhergehend damit Stabilität und Vertrauen.
Lebenshilfe journal: Kann das gelingen?
Normen Rothe: Das kann nicht nur gelingen, das wird auch gelingen. Davon bin ich überzeugt, auch weil wir unsere Führungsebenen neu strukturiert und die Verantwortlichkeiten geordnet haben. Das Team der Leitungsebene ergänzt sich durch die Erfahrungen in den verschiedenen Aufgabenbereichen perfekt, auch auf menschlicher Ebene. Wir sind auf einem sehr guten Weg.
Lebenshilfe journal: Was ist Ihr Ziel?
Normen Rothe: Mein Ziel sind zufriedene Mitarbeiter und Angestellte die sich mit unserem Unternehmen identifizieren. Dies können wir durch einen wertschätzenden Umgang miteinander, die Förderung der Menschen mit Behinderung und eine angemessene Steigerung der Produktivität des Unternehmens erreichen.
Lebenshilfe journal: Ende September feiern die Rurtalwerkstätten ihr 60-jähriges Bestehen. Was ist geplant?
Normen Rothe: Wir werden ein großes Fest feiern – in erster Linie natürlich für unsere Mitarbeiter sowie Teilnehmer und Angestellten, aber auch für alle unsere Kunden. Diese Gelegenheit möchten wir nutzen, um an diesem besonderen Tag eine Neuigkeit vorzustellen.
Lebenshilfe journal: Die Rurtalwerkstätten sind Teil des Vereins Lebenshilfe, der einer von zwei Gesellschaftern der Werkstatt ist. Wie bewerten Sie da die Zusammenarbeit?
Normen Rothe: Die Zusammenarbeit mit Michael Schulze, hauptamtlicher Vorstand des Vereins Lebenshilfe, funktioniert sehr gut. Grundsätzlich wünsche ich mir eine engere Verzahnung zwischen Verein und Werkstatt. In Düren gibt es insgesamt drei Institutionen, die den Namen Lebenshilfe tragen: Verein, Stiftung und unsere Werkstatt. Der Bekanntheitsgrad kann sicherlich erhöht werden.