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Stellungnahme zum Bundesteilhabegesetz

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24. Mai 2016

Die Lebenshilfe NRW unterstützt das Ziel, die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterzuentwickeln und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu verbessern. Dem wird der Referentenentwurf nur bedingt gerecht.

Stellungnahme des Lebenshilfe Nordrhein-Westfalen e.V. zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG)

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Die Lebenshilfe NRW unterstützt das erklärte Ziel, die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterzuentwickeln und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft zu verbessern. Diesem Ziel, den Vorgaben der UN- Behindertenrechtskonvention und den in der Koalitionsvereinbarung formulierten Maßstäben, wird der vorgelegte Referentenentwurf nur bedingt gerecht.

Wir fordern, dass kein Mensch mit Behinderung schlechter gestellt werden darf als nach bisheriger Rechtslage. Das Recht auf Teilhabe ist bundeseinheitlich auszugestalten, um einheitliche Lebensverhältnisse zu sichern. Wünschenswert wäre, dass nicht nur in Nordrhein-Westfalen allen Menschen, ungeachtet von Art und Schwere ihrer Behinderung, die Teilnahme am Arbeitsleben offen steht und nicht auf die Tagesförderstätten verwiesen werden können. Es darf nicht vom Bundesland abhängen, ob und wie Leistungen gewährt werden! Öffnungsklauseln, mit denen ein Bundesland einzelne Leistungen oder auch Zugang, Umfang und Qualität zu Lasten der Betroffenen reduzieren könnten, sind zu vermeiden. Wir verweisen diesbezüglich auf die gemeinsamen Kernforderungen von Deutschem Behindertenrat, den Fachverbänden, dem Paritätischen Gesamtverband, dem Deutschen Roten Kreuz, der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen und dem Deutschen Gewerkschaftbund, deren sechs Kernforderungen wir uns hiermit zu eigen machen:

  1. Wir fordern, für mehr Selbstbestimmung die Wunsch- und Wahlrechte von Menschen mit Behinderungen zu stärken und nicht einzuschränken.
  2. Wir fordern, Einkommen und Vermögen nicht heranzuziehen.
  3. Wir sagen NEIN zu Leistungskürzungen und – einschränkungen.
  4. Wir fordern ein Verfahrensrecht, das Leistungen zügig, abgestimmt und wie aus einer Hand für Betroffene ermöglicht und nicht hinter erreichte SGB IX-Gesetzestandards zurückfällt.
  5. Wir fordern mehr Teilhabe- und Wahlmöglichkeiten im Arbeitsleben.
  6. Wir fordern, Betroffenenrechte nicht indirekt, z.B. über schlechte finanzielle und vetragliche Rahmenbedingungen für Anbieter, zu beschneiden.

Die Lebenshilfe NRW sieht darüber hinaus insbesondere die Belange der Menschen mit geistiger Behinderung in dem Referentenentwurf als nicht ausreichend berücksichtigt an. Zu den nachfolgenden Punkte nehmen wir daher ergänzend Stellung:

I. Leistungsberechtigter Personenkreis

  •  Der Kreis der leistungsberechtigten Personen wird durch Artikel 1, § 99 SGB IX des Referentenentwurfs (SGB IX-RefE) erheblich eingeschränkt. Die Lebenshilfe NRW hat große Sorge, dass viele Menschen mit Behinderung aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes fallen und folglich keinen Anspruch auf die wichtigen Leistungen der Eingliederungshilfe haben. § 99 SGB IX-RefE sieht vor, dass künftig nur Menschen leistungsberechtigt sind, die in fünf (von neun) Lebensbereichen ohne Unterstützung nicht teilhaben können oder in drei Lebensbereichen auch mit Unterstützung nicht teilhaben können. Aus der Sicht der Lebenshilfe NRW bedarf es einer Korrektur dahingehend, dass Teilhabeeinschränkungen in zwei von neun Lebensbereichen ausreichend sind.
  • Die in § 99 SGB IX-RefE benannten Lebensbereiche müssen per Gesetz konkretisiert werden. Die in § 99 Absatz 5 SGB IX-RefE vorgesehene Möglichkeit, die Inhalte der Lebensbereiche in der Eingliederungshilfeverordnung zu regeln, lehnen wir ab. Es ist zu befürchten, dass damit eine Einschränkung des leistungsberechtigten Personenkreises und eine Abkehr von der Definition nach ICF verbunden ist. Wir halten daher einen gesetzlichen Verweis auf die in der ICF definierten Lebensbereiche für sachgerecht.

II. Einschränkungen des Wunsch- und Wahlrechts

  • Das Wunsch- und Wahlrecht wird an verschiedenen Stellen des Referentenentwurfs weiter eingeschränkt. So wird in § 104 Abs. 2 SGB IX-RefE ein Mehrkostenvorbehalt formuliert, der nach Prüfung der Zumutbarkeit die Wahlfreiheit begrenzt.
  • Das Wunsch- und Wahlrecht wird zudem durch § 116 SGB IX-RefE eingeschränkt. Die Vorschrift sieht die gemeinschaftliche Inanspruchnahme von Teilhabeleistungen (das sog. „Poolen“) als Regelfall vor. Davon kann nur abgewichen werden, wenn eine gemeinschaftliche Leistungserbringung nicht zumutbar ist. Das Wunsch- und Wahlrecht gebietet es aber, das „Poolen“ von Leistungen von der Zustimmung des Leistungsberechtigten abhängig zu machen.
  • Wir fordern mit Nachdruck ein modernes Wunsch- und Wahlrecht, das die selbstbestimmte Lebensführung stärkt und berechtigte Wünsche der Betroffenen gelten lässt, wie dies für andere Rehablilitationsträger schon heute im Gesetz verankert ist.

III. Verhältnis Eingliederungshilfe-Pflege

  • Menschen, die zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 99 SGB IX-RefE gehören, müssen uneingeschränkten Zugang zu den Leistungen der Eingliederungshilfe haben, unabhängig davon, wo sie leben. Nach § 99 Abs. 3 SGB IX-RefE besteht im häuslichen Bereich nur dann Anspruch auf die Leistungen der Teilhabe, wenn bei der Leistungserbringung die Erfüllung der Aufgabe der Eingliederungshilfe im Vordergrund steht. Ein solcher Vorrang von Pflegeleistungen widerspricht dem Grundsatz „Rehabilitation vor Pflege“ in § 31 SGB XI. Eingliederungshilfe ist Teil der Rehabilitation.
  • Die Abgrenzung von Pflegeleistungen und Leistungen der Teilhabe nach dem Schwerpunkt bzw. dem Kontext der Maßnahme ist praktisch kaum möglich und widerspricht dem unterschiedlichen Verständnis der Leistungen. Teilhabe ist nicht Pflege und pflegerische Betreuung ist keine soziale Betreuung. Die Leistungen der Pflege unterscheiden sich sowohl in ihren Grundlagen als auch in ihrer Zielrichtung fundamental von den Teilhabeleistungen der Eingliederungshilfe. Beide Leistungen müssen je nach der Zielrichtung weiterhin nebeneinander in Anspruch genommen werden können. Dies bedarf dringend einer gesetzlichen Klarstellung.
  • Nicht akzeptabel ist, dass Menschen, die in den Einrichtungen der Eingliederungshilfe leben, weiterhin nur einen pauschalen Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung haben. Die Pflegekassen übernehmen nach § 43 a SGB IX-RefE zur Abgeltung der pflegerischen Aufwendungen weiterhin lediglich 266 Euro monatlich, und zwar unabhängig von der Pflegestufe bzw. Pflegegrad.
  • Zudem soll die pauschale Abgeltung der Aufwendungen künftig auch für Pflegebedürftige in Wohngemeinschaften gelten (vgl. die Bezugnahme in § 43 a Satz 3 SGB IX-RefE auf § 42 b Abs. 2, Satz 1 Nr. 2 SGB XII-RefE). Die Menschen in ambulant betreuten Wohngemeinschaften hätten demnach keinen weitergehenden Anspruch auf die Leistungen der Pflegeversicherung. Die damit verbunden Leistungskürzung gegenüber der aktuellen Gesetzeslage lehnen wir entschieden ab.
  • Den Vorrang der Leistungen der Hilfe zur Pflege vor Leistungen der Eingliederungshilfe lehnt die Lebenshilfe NRW entschieden ab. Der Vorrang steht offensichtlich im Widerspruch zu dem Grundsatz „Rehabilitation vor Pflege“. Wichtig ist uns die Beibehaltung der inhaltlichen Trennung von Teilhabe- und Pflegeleistungen, da ansonsten die Gefahr besteht, dass Teilhabeleistungen aus fiskalischen Gründen in die Hilfe zur Pflege und damit in die Sozialhilfe verschoben würden.

IV. Trennung von Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen

  • Die Trennung von Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen wird grundsätzlich begrüßt. Durch die Trennung dürfen aber keine Versorgungslücken entstehen. Wir haben die begründete Sorge, dass die Kosten der Unterkunft nicht ausreichen, um die Mietkosten zu decken, die in Einrichtungen der Eingliederunghilfe bzw. den Wohngemeinschaften nach dem Wohn- und Teilhabegesetz NRW (WTG NRW) entstehen. Sowohl die sog. Einrichtungen mit umfassendem Leistungsangebot als auch teilweise Wohngemeinschaften nach dem WTG NRW haben als Sonderbauten ordnungsrechtliche und brandschutztechnische Auflagen zu erfüllen, die mit dem in § 42 b Abs. 6 RefE vorgesehenen Aufschlag von 25 Prozent nicht abgedeckt werden.
  • Der Mensch mit Behinderung kann sogar verpflichtet werden, die Kosten seines Wohnraums durch Umzug zu senken, wenn die tatsächlichen Kosten der Wohngemeinschaft den zugebilligten Aufschlag von 25 Prozent übersteigen (§ 42 b Abs. 6, Satz 2). Hierdurch wird auf die Betroffenen ein großer Druck erzeugt, bezahlbaren Wohnraum zu finden, der auch noch barrierefrei ist sowie den ordnungsrechtlichen Anforderungen des WTG NRW bzw. den baurechtlichen Vorgaben der Landesbauordnung entspricht.
  • Die Trennung von Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen hat zudem zahlreiche Auswirkungen auf das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG). Diese Auswirkungen sind nicht nachvollziehbar. Insbesondere bleibt unklar, ob und inwieweit die bestehenden Wohn- und Betreuungsverträge an die Gesetzeslage angepasst werden müssen bzw. können.
  • Die Trennung der Leistungen birgt zudem die Gefahr, dass es zu Schließungen von stationären Wohnangeboten kommt. Die Refinanzierung, insbesondere die Aufteilung der Kostenbestandteile der Wohnangebote für Menschen mit Behinderung, ist nach dem Referentenentwurf jedenfalls nicht nachvollziehbar. Durch die Entkopplung von Betreuungs- und Mietvertrag können insbesondere ambulante Wohnformen (nach dem WTG NRW: sog. anbieterverantwortete Wohngemeinschaften) nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. Es steht zu befürchten, dass zahlreiche Angebote für die Menschen mit Behinderung nicht mehr vorgehalten werden können und der dringend benötigte Ausbau ambulanter Wohnformen dadurch gestoppt wird.

V. Teilhabe am Arbeitsleben (Budget für Arbeit/ andere Leistungsanbieter)

  • Wir begrüßen, dass das Recht von Menschen mit Behinderung auf eine Beschäftigung in den Werkstätten weiterhin gesichert ist.
  • Die Einführung eines unbefristeten Budgets für Arbeit wird ausdrücklich begrüßt. Fraglich erscheint uns aber, ob die Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderung dadurch wesentlich verbessert werden. Aus unserer Sicht ist der vorgesehene Lohnkostenzuschuss zu niedrig. Der Lohnkostenzuschuss zum Ausgleich der Leistungsminderung der Beschäftigten und den Aufwendungen für die wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung zum Arbeitsplatz beträgt nach § 61 Abs. 2 SGB IX-RefE bis 75 Prozent des vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelts, höchstens jedoch 40 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 SGB IV. Dies wären aktuell maximal 1.162 Euro. Weiter ist zu befürchten, dass die Länder von der in § 61 Abs. 2, S. 4 SGB IX-RefE vorgesehenen Ermächtigung Gebrauch machen und von diesem Prozentsatz noch nach unten abweichen. Eine prozentuale Begrenzung des Lohnkostenzuschusses führt dazu, dass Menschen mit einem hohen Unterstützungsbedarf von vornherein von dem Budget für Arbeit ausgeschlossen sind. Der Lohnkostenzuschuss wäre zu gering, um einen Ausgleich der Leistungsminderung zu gewährleisten. Die in § 61 Abs. 2 Satz 4 vorgesehene Ermächtigung an die Länder, von dem Prozentsatz abzuweichen, sollte daher nur für Korrekturen nach oben gelten.
  • Die Lebenshilfe NRW begrüßt, dass es neben den Werkstätten künftig andere Leistungsanbieter geben wird. Hierdurch wird der Wettbewerb und das Wunsch- und Wahlrecht der Menschen mit Behinderung gestärkt. Damit eine wirksame Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben auch bei anderen Leistungsanbietern gesichert ist, bedarf es aus unserer Sicht ähnlicher Bedingungen hinsichtlich der Mindestplatzzahl und des vorzuhaltenden Angebots. Zur Sicherung der Qualität der Angebote sollte auf ein förmliches Anerkennungsverfahren - anders als in § 61 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX-RefE vorgesehen - nicht verzichtet werden. Zumindest sollten ähnlich hohe (Mindest-) Standards und Qualitätskriterien für die andere Leistungsanbieter festgelegt werden.
  • Der Fachausschuss ist nach der Werkstättenverordnung (WVO) vor Aufnahme eines Menschen mit Behinderung in eine Werkstatt immer zu beteiligen. Art. 18 Abs. 18 Nr. 2a des RefE sieht vor, dass eine Beteiligung des Fachausschusses unterbleibt, wenn ein Teilhabeplanverfahren nach §§ 18 ff. SGB IX durchgeführt wird. Aus Sicht der Lebenshilfe NRW ist der Fachausschuss auch dann zu beteiligen, da nur so sichergestellt ist, dass auch Vertreter der Werkstatt an dem Verfahren teilnehmen.
  • Ausdrücklich begrüßt werden die beabsichtigten Änderungen in der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO). Insbeosndere die Einführung von Mitbestimmungsrechten, die Stärkung der Vermittlungsstelle und die Einführung von Frauenbeauftagten stellen einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Interessen der Werkstattbeschäftigten dar. Wir weisen darauf hin, dass der Begriff „Frauenbeauftragte“ nicht mehr zeitgemäß ist und sich als Engführung auf eine bestimmte Gruppe bezieht. Wir schlagen daher alternativ den Begriff des/der „Gleichstellungsbeauftragten“ vor.
    VI. Teilhabeberatung
  • Die Lebenshilfe NRW begrüßt die Einführung eines Anspruchs auf die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung ausdrücklich (§ 32 SGB IX-RefE). Begrüßt wird auch, dass insbesondere das sog. „Peer Counseling“ gefördert werden soll. Leider bleiben wesentliche Fragen zur unabhängigen Teilhabeberatung, wie die Kompetenz der Berater, ungeklärt.
    Die Finanzierung der Beratungsstellen muss aus Sicht der Lebenshilfe NRW unbefristet sein. Die vorgesehene Befristung bis 2022 verhindert das Entstehen einer nachhaltigen Beratungsstruktur.
    VII. Anrechnung Einkommen und Vermögen
  • Nicht akzeptabel ist, dass die Fachleistungen der Eingliederungshilfe weiterhin nur nach Anrechnung von Einkommen und Vermögen gewährt werden sollen. Das erklärte Ziel, die Eingliederungshilfe aus dem Fürsorgerecht herauszulösen, wird nach der vorgesehenen Regelung nicht erreicht. Es bleibt im Grundsatz bei einer Bedürftigkeitsprüfung. Diese Diskriminierung gegenüber Menschen ohne Behinderung steht offensichtlich im Widerspruch zu den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Menschen mit Behinderung bleibt es weiterhin verwehrt, Vermögen - jedenfalls über den deutlich erhöhten Freigrenzen - anzusparen.
  • Die deutliche Anhebung der Vermögensfreigrenzen (das sog. Schonvermögen wurde von 2.600 Euro auf 25.000 Euro ab 2017 bzw. 50.000 Euro ab 2020 erhöht) ist als guter Ansatz zu begrüßen, da die finanzielle Situation der Menschen mit Behinderung dadurch erheblich verbessert wird. Wir fordern, dass die Fachleistungen der Eingliederungshilfe gänzlich ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen als Nachteilsausgleich geleistet werden.
  • Menschen mit Behinderung, die auf Grundsicherung angewiesen sind, profitieren nicht von den angehobenen Freigrenzen des Vermögens und können auch in Zukunft nicht mehr als 2.600 Euro ansparen. Hier ist dringend eine Anhebung – zumindest auf das Niveau des SGB II – erforderlich.

VIII. Vertragsrecht

  • Wir begrüßen die gesetzliche Klarstellung, dass die Bezahlung tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen auch für die Eingliederungshilfe nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden kann (§ 124 Abs. 1 S. 5 SGB IX-RefE). Widersprüchlich und von uns abgelehnt wird aber die vorgesehene Vergleichsmethode (externer Vergleich). Die Vergütung ist danach nur dann angemessen, wenn sie im Vergleich mit der Vergütung vergleichbarer Einrichtungen im unteren Drittel liegt. Es steht zu befürchten, dass es dadurch zu Ausschreibungen und massiven Qualitätseinbußen kommen wird.
  • Postiv bewerten wir auch, dass die Leistungsvereinbarung nach dem Referentenentwurf schiedstellenfähig ist. Nicht nachvollziehbar ist hingegen die Verlängerung der Frist für die Anrufung der Schiedsstelle von 6 Wochen auf 3 Monate (§ 126 Abs. 2 Satz 1 SGB IX-RefE).
  • Unverständlich ist für uns in diesem Zusammenhang die Übergangsregelung in § 140 Abs. 1 SGB IX-RefE. Danach gelten die bis zum 31. Dezember 2017 vereinbarten oder durch die Schiedsstellen festgesetzten Vergütungen nach § 75 Abs. 3 bis zum 31. Dezember 2019 weiter. Dies würde bedeuten, dass selbst bei tatsächlichen Lohnsteigerungen in diesem Zeitraum – selbst durch Einzelverhandlungen – keine Erhöhung der Leistungsentgelte von den Leistungsanbietern eingefordert werden könnten.

IX. Frühförderung

  • Die Lebenshilfe NRW begrüßt die in § 46 SGB IX-RefE und der Frühförderungsverordnung vorgenommen Änderungen. Begrüßt wird insbesondere, dass durch die Konkretisierungen der Inhalte die Frühförderung als Komplexleistung bundesweit festgeschrieben wird.
  • Die in § 46 Abs. 2 SGB IX-RefE vorgesehene Möglichkeit der Länder, andere Einrichtungen zuzulassen, sehen wir kritisch. Hier muss sichergestellt sein, dass die Einrichtungen den gleichen Qualitätsstandards genügen wie die bewährten interdisziplinären Frühförderstellen.

X. Fazit

Die Lebenshilfe NRW unterstützt die von der Bundesregierung in dem Referentenentwurf benannten Ziele. Leider bleibt der Referentenentwurf an vielen Stellen hinter den selbst definierten Zielen zurück. Aus Sicht der Lebenhilfe NRW bliebt zu hoffen, dass v.a. in den oben genannten Punkten Nachbesserungen erfolgen werden und die Vorgaben der UN-Behindertenkonvention (UN-BRK) konsequent umgesetzt werden. Nicht die Begrenzung der Kostendynamik sondern die Verbesserung der Teilhabe der Menschen mit Behinderung sollte dabei im Vordergrund stehen. Eingliederungshilfe und Pflege müssen dabei unabhängig von der Wohnform nebeneinander bestehen. Menschen mit Behinderung dürfen keinesfalls in die Pflege „abgeschoben“ werden.

Stellungnahme der Lebenshilfe NRW zum Referentenentwurf Bundesteilhabgesetz

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